Lizenzierung - Eine Einordnung
16 Mar 2022, updated 22 Oct 2022 - jlkDEAus verschiedenen Motiven war für mich die Auseinandersetzung mit Computern früh schon eine Auseinandersetzung mit Freier und quelloffener Software, weshalb ich Informationstechnik schon lange auch mit Lizenzierung verbinde. Umso mehr fragte ich mich daher selbst, warum ich bislang keinen solchen Hinweis in diesem Blog untergebracht habe: Nahezu alle Inhalte, die ich ansonsten der Öffentlichkeit zugänglich mache, sind zumindest nach den Bedingungen einer Standardlizenz (Quelltext: EUPL, Rest: CC-BY-SA) geregelt und auch über die reine Anwendung hinaus interessiert mich das Thema schon lange.
Zum heutigen Abend nahm ich mir das Thema daher noch einmal vor und wollte mir darüber klar werden, ob ich einen solchen Hinweis anbringen soll. Stattdessen möchte ich aber beschreiben, wodurch mein Widerstreben begründet ist: Die Schöpfungshöhe und geistiges Eigentum im Allgemeinen. Zuerst gilt es jedoch, mein Verständnis der Grundlagen aufzuzeigen. Dazu beginne ich mit den Konzepten hinter der Lizenzierung. Als Wurzel soll hier der angewandte Nutzen im Vordergrund stehen: Die Erlaubnis zur Verwertung eines Rechtssubjektes.
Welche Grundannahmen stecken hinter Lizenzen?
Vorrangig tangiert das Thema Lizenzierung das Recht, aber auch politische, philosophische und wirtschaftliche Überlegungen nehmen Einfluss auf die Meinungsbildung dazu. Sichtbar wird das in besonderem Maß in der Softwarelizenzierung, in welcher Pragmatisten zur praktischen Verwertung und Idealisten mit der Vorstellung bestimmter Werte gemeinsam durch Quelloffenheit und Freiheiten das Ziel zugänglichen Eigentums verfolgen.
Dabei kann ebendieser Kern durchaus in Vergessenheit geraten: Lizenzierung von Software ist die Gewährung von Nutzungsrechten an “geistigen Eigentum”. Damit ist die erste Grundannahme klar: Wenn man sich entscheidet, Inhalte mit einer Lizenz zu versehen, erkennt man an, dass diese einen Gegenstand darstellen, über den man verfügt und Herrschaft ausübt. Speziell das Urheberrecht ist dabei das Recht auf Schutz eines solchen Gutes. Es beruht also darauf, dass es legitim ist, Zugang und Verwendung immaterieller Werke einzuschränken. - Nur, weil ich also in der Lage bin, Inhalte frei zu kopieren und selbst zu verwenden, kann der Rechteinhaber mir das auf Rechtswegen untersagen und die Legitimität einer solchen künstliche Schranke muss man akzeptieren, wenn man ein Werk lizenziert oder Inhalte lizenziert nutzt.
In Hinblick auf die Entstehung und Beschaffenheit dieser Grenze kann man in fünf Bereiche unterteilen: Inhalte, die nicht schutzwürdig sind, und solche, die sich nach Lizenzbedingungen nutzen lassen, liegen vor der Schranke. Im Gegensatz dazu stehen Inhalte/Verwertungsarten, deren Nutzung untersagt wird und Rechte, die nicht abgetreten werden dürfen wie die Urheberschaft als solche. Beides liegt dabei innerhalb des abgegrenzten Bereichs. Übrig bleiben noch Inhalte, deren Status unklar ist, beziehungsweise Nutzungsweisen, die in der Grauzone liegen. Sie bilden den Abschluss und stehen damit gegebenenfalls außerhalb des Lizenzgegenstandes. Aus diesen fünf Bereichen ergeben sich dann im Grunde drei Grenzen: Der unveräußerlichen Rechte am Subjekt, die wählbare Schranke innerhalb des regulierbaren Gebietes, und hin zum schutzunwürdigen Sujet. Konkret für die letzte davon bietet das deutsche Recht ein Kriterium, welches die Einordnung ermöglicht: Eine Leistung kann keinem Schutz unterliegen, wenn keine Schöpfungshöhe erreicht wird. Die Schöpfungshöhe repräsentiert dabei eine Schwelle, welche einer Leistung genug Wert zuspricht, um einen Schutz überhaupt erst als sinnvoll anzusehen. Anders gesagt: Erreicht ein Werk keine Schöpfungshöhe ist es schlicht nicht gut genug, um dem Rechteinhaber einen Vorteil zu gewähren. Das impliziert, dass es möglich sein muss, eine Einschätzung darüber abgeben zu können, ob etwas einem solchen Schutzstatus würdig ist. Es erkennt demnach an, dass Menschen eine Einscheidung über den Wert einer Leistung relativ zu anderen vergleichbaren Leistungen treffen können.
Diese beiden Grundannahmen muss man anerkennen, wenn man seine eigenen Werke bewusst lizenziert.
Vorteile der Lizenzierung
Die Lizenzierung ist heute fester Bestandteil kapitalistischer Systeme, da sie Verlässlichkeit und damit Abwägbarkeit in die Entscheidung zur Nutzung fremder Inhalte schafft. Während das vor allem praktische Vorteile bietet, ist der Grundgedanke der Softwarelizenzierung auch eng mit der Patentierung verbunden und speist sich dabei aus dem Verlangen, die Verwertung technischer Fortschritte in die Hände des Erfinders/Erschaffers zu legen. Es entsteht also ein positiver Anreiz, Werke zu schaffen, um sich finanziell besser zu stellen auf der einen Seite und einen Schutz vor Ausbeutung durch unproduktive mächtigere Entitäten im Fall einer eigenen Leistung auf der anderen Seite. Wenn ich hier im Blog Texte schreibe und mir die Rechte vorbehalte kann also in der Theorie kein Dritter Umsatz mit meinem Werk generieren, diesen auszuschöpfen liegt stattdessen allein in meiner Hand.
Ich bin weiterhin auch der Überzeugung, dass das Konzept von Eigentum zumindest im materiellen Kontext zu einem gewissen Grad in der Art des Menschen liegt. Streitbar ist, ob das Schutzbedürfnis dabei eher anerzogen wird oder ob wir auch natürlicherweise dazu neigen, eigenen Besitz gegen fremde Übernahme abzusichern. Ich glaube daher, dass Lizenzen eine von wenigen Lösungen sind, dieses Verständnis von individueller Verfügungsgewalt in den Bereich einfach zu vervielfältigender Inhalte zu übertragen. Das impliziert, dass es schlicht nicht zu vermitteln oder zu verstehen ist, wenn man bewusst auf klassische Lizenzierung verzichtet und dennoch den Wunsch hat, auf die Entwicklung des Werkes Einfluss zu nehmen.
Ein weiterer großer Vorteil ist natürlich auch die weitläufige internationale Anerkennung und Angleichung des Urheberrechtskonzepts und dabei auch die Abwesenheit rechtlich anerkannter Alternativen. Anders gesagt: Wenn man seine eigenen Vorstellungen zur Verwendung der selbst geschaffenen Leistungen durchsetzen will bleibt einem bislang meist nur die Lizenzierung.
Kritik an Lizenzierung
Ein großer Teil der Kritik an Lizenzierungen beispielsweise unter Sympathisanten Freier Software liegt in der immateriellen Natur der Subjekte. Vor allem wird dabei argumentiert, geistige Leistungen wären vorrangig Kreuzprodukte der Inspiration oder Rezeptionen anderer geistiger Werke, was den Grundsatz der Schöpfungshöhe untergräbt: Liegt kein trennbar individueller Anteil eigener geistiger Leistung im Werk vor, verliert dieses seinen ureigenen Wert und wird damit ohne Schutzberechtigung gemeinfrei. Da aber aufgrund der inhärenten Beeinflussung keine signifikante Originalität gegeben sein kann verlören Güter wie Quelltexte oder nach Auslegung auch Bilder oder generelle Texte in dieser Argumentation die Möglichkeit, einem Schutz zu unterliegen, der wiederrum Wert und Verwertbarkeit garantiert. Einfacher ausgeführt: Der Mensch kann nicht von sich aus neue Inhalte schaffen, sondern verarbeitet nur äußere Einflüsse zu einem Produkt. Ohne individuelles Schaffen auch keine definierbare Masse, deren Wert dem Erzeuger zusteht und damit letztlich nichts, dessen Nutzung man mit einer Lizenz regulieren kann.
In abgeschwächter Form wird dieser Gedanke teilweise durch Antilizenzen wie die WTFPL oder die Überlassung in Gemeinfreiheit gelebt, in Deutschland ist allerdings der Rücktritt von der eigenen Urheberschaft nicht zulässig. Ohne gegen Recht zu verstoßen bleibt daher bei echter Ablehnung des Konzeptes nur die Möglichkeit, keine Lizenz zu vergeben.
Nicht zuletzt kann es auch sein, dass man persönlich das Gefühl hat, die Vorteile von Lizenzierung käme nicht zum Tragen, beispielsweise weil die Verwertung durch Dritte doch nicht so eingeschränkt werden kann, dass man selbst sinnvoll Profit durch die eigenen Inhalte generieren kann. Das kann man gut in Freier Software beobachten, die von Unternehmen ohne Beiträge gewinnbringend ausgenutzt wird.
Persönliche Position
Ein gewisser Konflikt zwischen ideellen Positionen und pragmatischer Nutzung zieht sich durch meine Auseinandersetzung mit Technik im Generellen, Lizenzen bilden da keine Ausnahme. Einerseits wird durch sie ein gut nutzbares System geschaffen, welches eindeutig und vergleichbar Nutzungsrechte regelt, andererseits stehe auch ich aufgrund der geäußerten Kritik Urheberschaft digitaler (flüchtiger) Güter skeptisch gegenüber.
In Summe habe ich mich daher entschieden, den Ausführungen dieses Blogs unter keiner generischen Lizenz verfügbar zu machen. Das liegt auch daran, dass ich nur verhältnismäßig wenig Zeit für das Schreiben aufwende und es sich um ein rein persönliches Medium handelt. Ich will jedoch nicht ausschließen, mich zukünftig den Creative Commons zu beugen - Wenn schon Lizenz zumindest mit Copyleft.
Ein letztes Wort noch zu Aussagen dieses Textes, die als Kommentierung des bestehenden Rechts verstanden werden könnten: Ich beschäftige mich mit diesen Themen vorrangig aus persönlichem Interesse und kann daher keine Garantien zur Richtigkeit geben, zumal ich auf eine eingehende und nachvollziehbare Recherche verzichtet habe.